Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), das gemeinnützige Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) befürchten nach dem Zerbrechen der Bundesregierung nicht nur einen monatelangen Stillstand bei Ausbau und Modernisierung der Schiene, sondern aufgrund des nicht verabschiedeten Haushalts 2025 auch erhebliche finanzielle Einbußen für die Bahn sowie ein verschlechtertes Angebot für die Reisenden. Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert bezeichnete das frühzeitige Ampel-Aus am 12. November 2024 als „Supergau für die Schiene“. Wenn der Bundeshaushalt 2025 nicht verabschiedet werde, würden der Bahn im kommenden Jahr rund 17 bis 20 Mrd. Euro fehlen, die der Bund bereits zugesagt habe. Burkert: „Zahlreiche Korridor-Sanierungen stehen damit auf der Kippe. Selbst die jetzt eigentlich beginnende dringend notwendige Sanierung zwischen Berlin und Hamburg droht damit unmittelbar zum Rohrkrepierer zu werden.“ Daneben müssten über 13 Mio. Fahrgäste darum bangen, ob es 2025 das Deutschland-Ticket weiterhin geben wird oder nicht.
Schlussspurt für zentrale Bahnprojekte
Auch die Allianz pro Schiene appelliert an Bundesregierung und Bundestag, die wichtigsten bahnpolitischen Vorhaben in der verbleibenden Legislatur politisch und finanziell abzusichern. Selbst wenn der Zeitplan für den Bundeshaushalt 2025 sich gerade immer weiter in die Zukunft verschiebt – es dürfe nun keine Hängepartie geben, warnte Geschäftsführer Dirk Flege am 12. November 2024. „In unsicheren Zeiten wie diesen brauchen wir zumindest Planungssicherheit für ÖPNV-Kunden, für Bauunternehmen und für alle, die Menschen und Güter auf der Schiene transportieren. Auch die gerade erst angelaufene, dringend notwendige Sanierung des Schienennetzes darf nicht ins Stocken geraten.“ Zu den wichtigsten verbleibenden verkehrspolitischen Aufgaben der Bundesregierung gehört aus Sicht des Verkehrsbündnisses insbesondere vier Punkte.
- Deutschlandticket: Nicht eingesetzte Regionalisierungsmittel aus dem Jahr 2023 müssen noch in die Jahre 2024 und 2025 übertragen werden. Dazu muss der Bundestag die geplante Änderung des Regionalisierungsgesetzes beschließen. Allianz-pro-Schiene-Geschäftsführer Flege empfiehlt: „Regierung und Opposition sind hier gut beraten zusammenzuarbeiten. Es wäre fatal, die Zukunft des Deutschland-Tickets infrage zu stellen, wenn es hier keine Entscheidung mehr geben sollte. Damit verärgert man Nutzerinnen und Nutzer und gefährdet die Verkehrswende.“
- General-Sanierungen: Es muss nun zügig abgesichert werden, dass die gerade erst angelaufenen General-Sanierungen fortgesetzt werden können. Hierfür muss nicht nur die Anpassung der so genannten Leistungs- und Finanzierungs-Vereinbarung (LuFV) abgeschlossen werden. Es muss ebenfalls geklärt werden, wie die Vorbereitung der für 2025 anstehenden Sanierungs-Projekte ohne Unterbrechung weitergehen kann. Hier warnt auch EVG-Chef Burkert: „Sollte es keine baldige Einigung im zerrütteten Bundestag geben, muss die Reißleine bei geplanten Projekten gezogen werden. Das hätte fatale Konsequenzen, aber anderernfalls wäre das wirtschaftliche Risiko nicht verantwortbar.“
- Moderne-Schiene-Gesetz: Das Gesetz soll wichtige Neuregelungen bündeln, um den Ausbau der Schiene voranzubringen. Ursprünglich sollte der Gesetzesentwurf noch bis zum Jahresende im Kabinett beschlossen werden. Im Moderne-Schiene-Gesetz sollen unter anderem zentrale Empfehlungen der Beschleunigungs-Kommission Schiene umgesetzt werden, etwa zur schnelleren Elektrifizierung von Schienenstrecken und zur umfassenden Digitalisierung der Schiene. Allianz-pro-Schiene-Chef Flege mahnt: „Es ist wichtig, dass die geleistete Vorarbeit zum Moderne-Schiene-Gesetz von einer neuen Regierung nicht einfach wieder verworfen wird. Schienenpolitik darf nicht immer wieder bei Null anfangen. Auch hier gilt es, parteiübergreifend Lösungen zu finden und sich auf einen Gesetzesentwurf zu verständigen, der mehrheitsfähig ist.“
- Fondslösung: Die Allianz pro Schiene hat sich bereits in der Beschleunigungs-Kommission Schiene für eine Fondslösung zur Finanzierung der Schienen-Infrastruktur eingesetzt. Die aktuelle politische Situation ist ein Beleg dafür, wie notwendig eine Finanzierungsform ist, welche die Mittel für die Schienen-Infrastruktur mehrjährig absichert. Flege kommentiert: „Eine Fondslösung für die Schieneninfrastruktur bedeutet, dass man nicht jedes Jahr aufs Neue den Unsicherheiten der Haushaltsverhandlungen ausgesetzt ist. Jetzt haben wir erneut eine große Unsicherheit, weil das vorzeitige Regierungs-Aus den Haushalt ausbremst. Ein Fonds bedeutet hingegen Finanzierungs- und Planungssicherheit. Er ist ein Signal der Verlässlichkeit, dass lange überfällige Investitionen in die Schiene auch tatsächlich kommen werden. Eine solche Lösung auszuarbeiten, sollte für die nächste Bundesregierung Priorität haben.“
VDV: Verlässlicher Haushalt muss sein
Auch das Präsidium des Branchenverbands VDV appelliert an die Fraktionen im Deutschen Bundestag, bis zur Auflösung des Bundestags aufgrund der für den 23. Februar 2025 geplanten Neuwahlen, einen Nachtragshaushalt für 2024 und einen Bundeshaushalt für 2025 zu beschließen. Dies umfasst aus VDV-Sicht vor allem einen verlässlichen Haushalt für das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und einen beschlossenen Wirtschaftsplan für den Klima- und Transformationsfonds. VDV-Präsident Ingo Wortmann sagte am 12. November 2024: „Wir brauchen Klarheit und Planungssicherheit für die Branche und für unsere Kundinnen und Kunden. Ziel muss es sein, dass die Fraktionen nun die wichtigsten, bereits begonnenen Gesetzgebungsvorhaben im Verkehrsbereich noch innerhalb der laufenden Legislaturperiode beschließen.“
Text: red/pr, Bild: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang