
Weniger als jedes vierte Bahnhofsgebäude in Deutschland gehört noch der Deutschen Bahn (DB AG). Die Mehrheit (55 %) befindet sich in Privateigentum, den Kommunen gehört gut jedes fünfte Empfangsgebäude. Das zeigt eine Auswertung der Allianz pro Schiene (APS), die erstmals Auskunft darüber gibt, wie viele Empfangsgebäude in den Bundesländern von den Kommunen gekauft worden sind.
Bahnhofsgebäude: Fast 80 % gehören nicht mehr der DB
Das gemeinnützige Verkehrsbündnis fordert eine partnerschaftliche Herangehensweise von Bund, Ländern, Kommunen und Privateigentümern, um die teils ungenutzten und sanierungsbedürftigen Gebäude wieder den Reisenden zugänglich zu machen. Dirk Flege, Geschäftsführer der APS, sagte am 27. Januar 2025 in Berlin: „Wir sollten uns nicht damit abfinden, dass Hunderte Bahnhofsgebäude bundesweit leer stehen oder sogar verfallen. Zur Verkehrswende gehört, dass wir Bahnhöfe für mehr Zugreisende ertüchtigen. Das bedeutet auch attraktive Empfangsgebäude, die den Bedürfnissen der Reisenden gerecht werden.“ In den östlichen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen befinden sich meist mehr als drei Viertel der Bahnhofsgebäude in privater Hand, in westlichen Flächenländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern sind es meist nicht mehr als 50 bis 60 %. In Nordrhein-Westfalen befinden sich gleich 50 % der Empfangsgebäude in kommunalem Besitz. Insgesamt gibt es laut Allianz pro Schiene 2886 Bahnhofsgebäude in Deutschland, von denen sich 1582 in Privateigentum befinden. 628 gehören den Kommunen, 676 der DB AG.
Finanzieller Fehlanreiz
Ursache für den großangelegten Verkauf von Bahnhofsgebäuden um die Jahrtausendwende war ein finanzieller Fehlanreiz durch den Bund: Die DB AG sollte ihre Empfangsgebäude durch Mieteinnahmen finanzieren – doch wo sich keine Mieter fanden, war das nicht möglich. Flege: „Im Rückblick ist allen Beteiligten klar, dass es ein großer Fehler war, Bahnhofsgebäude wie ganz gewöhnliche Immobilien zu behandeln und dort, wo sie sich nicht selbst finanzieren konnten, zu verkaufen. Das Ergebnis ist, dass fast 80 % der Empfangsgebäude heute nicht mehr der Bahn gehören. Das macht die Weiterentwicklung der Gebäude im Sinne der Reisenden nicht eben einfacher.“
Unterstützung für die Eigentümer
Weil man die damaligen Käufer der Bahnhofsgebäude nicht nachträglich zu einem stärkeren Engagement für die Gebäude verpflichten könne, gelte es nun Anreize zu setzen, um die Bauten wieder für die Fahrgäste nutzbar zu machen. Aus Sicht der APS braucht es dafür sowohl finanzielle als auch organisatorische Unterstützung, um Nutzungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Zunächst sei der Bund als ursprünglicher Eigentümer der Bahnhofsgebäude gefragt, gemeinsam mit Ländern und Kommunen Verantwortung für deren Wiederherstellung zu übernehmen. APS-Chef Flege: „Alle Ebenen müssen an einem Strang ziehen, um die Empfangsgebäude wieder zu Verkehrsstationen zu entwickeln. So sollte zum Beispiel geprüft werden, wie die Städtebauförderung so erweitert werden kann, dass auch Privateigentümer in ihrem Engagement unterstützt werden, Bahnhofsgebäude wieder nutzbar zu machen.“
Entwicklung von Nutzungskonzepten
Außerdem seien viele Eigentümer von Bahnhofsgebäuden damit überfordert, ein Nutzungskonzept zu entwickeln. Flege sagte: „Es ist enorm wichtig, dass die Akteure vor Ort in ihren Bemühungen unterstützt werden. Die DB InfraGO AG will Bahnhöfe wieder danach ausrichten, dass die Allgemeinheit davon profitiert; sie kann eine gute Anlaufstelle für planerische und organisatorische Unterstützung sein. Auch Beratungsstellen wie die ,Kompetenzstelle Bahnhof‘ beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) sind extrem wichtig, um Menschen dabei zu unterstützen, ihre Bahnhofsgebäude wiederzubeleben.“
Manche Bundesländer wie Baden-Württemberg fördern bereits den Kauf und die Modernisierung von Bahnhöfen, um die Nutzung von Empfangsgebäuden, die sich nicht im Eigentum der DB befinden, für die Öffentlichkeit und die Fahrgäste zugänglich zu machen.
Text: Allianz pro Schiene/red, Bild: Regionalverkehr