2017 wurden in Bad Birnbach die deutschlandweit ersten autonomen Fahrzeuge im ÖPNV-Regelbetrieb auf die Straße gebracht, nun ist das Projekt am Ende: Der Fahrzeug-Hersteller EasyMile hat den Projekt-Beteiligten – dem Landkreis Rottal-Inn, dem Markt Bad Birnbach, der Regionalbus Ostbayern GmbH (RBO), der Ludwig-Maximilians-Universität (München) und dem Fraunhofer-Institut – mitgeteilt, dass er sich 2025 aus dem Bereich Personen-Beförderung komplett zurückziehen wird. Das französische Unternehmen fokussiert sich künftig auf die Logistik-Branche im Bereich von Flug- oder auch Schiffshäfen. Da EasyMile fortan keine Mitarbeiter mehr für Service und Support der Shuttles bereitstellt, kann kein reibungsloser und sicherer Betrieb gewährleistet werden. Am 20. Dezember 2024 haben die verbliebenen Projektpartner deshalb entschieden, den autonomen Busverkehr zum 31. Dezember 2024 einzustellen.
Weltweites Interesse
Der autonome Busverkehr in Bad Birnbach startete vor sieben Jahren mit einem Minibus des Herstellers EasyMile innerhalb des Ortsgebiets, seit Oktober 2019 wurde der außerhalb liegende Bahnhof angebunden und damit die „letzte Meile“ überwunden. Alle bisher gemachten Schritte haben Schlagzeilen gemacht, teilweise sogar weltweit. Besuchergruppen aus China kamen ins niederbayerische Bäderdreieck, Kamerateams aus Südkorea und Japan. Noch viel wichtiger: Das Angebot wurde vor Ort sehr gut angenommen und die Rottalbahn Mühldorf (Oberbay) – Bad Birnbach – Passau Hbf konnte damit für Gäste und Einheimische ein gutes Stück attraktiver gemacht werden. Seit Mai 2022 kam das Projekt „HEAL“ (Hochautomatisiert-gEsellschaftlich-nAchfrageorientiert-Ländlich) hinzu, ein Forschungsvorhaben, an dem auch die Ludwig-Maximilians-Universität beteiligt war. Ab dann waren drei Fahrzeuge im Einsatz, und es wurde zusätzlich zur Linie 7015, die Bahnhof und Ort verbindet, der On-Demand-Betrieb innerhalb Bad Birnbachs mit 20 digitalen Haltestellen angeboten.
Betrieb nur im Level 3
Aufgrund rechtlicher Regelungen auf europäischer Ebene waren seit Beginn bis heute Begleiter, so genannte Operatoren mit an Bord. Bei der Inbetriebnahme der ersten Fahrzeuge im Oktober 2017 bestand die Hoffnung, dass der Operator mit der Zeit entfallen könnte und die Kontrolle der autonomen Fahrzeuge über eine Leitstelle läuft. Doch die dafür notwendigen gesetzlichen Änderungen ließen lange auf sich warten. Die Rufe nach einer technischen Weiterentwicklung wurden ebenfalls laut. Statt wie bisher in Level 3 (also mit „Operator“) sollten die Shuttles im nächsten Schritt Level 4 beherrschen (also überwacht aus einer Leitstelle) und außerdem deutlich schneller fahren. Die Vorbereitungen dafür liefen bereits, und auch rechtlich hat sich etwas getan, zumindest innerhalb einzelner Projekte. Nach dem Ampel-Aus in Berlin und dem gescheiterten Bundeshaushalt 2025 ließen sich jedoch keine weiteren Fördermittel akquirieren.
Finanzierung muss neu angegangen werden
Der Betrieb der Fahrzeuge würde den Landkreis Rottal-Inn und den Markt Bad Birnbach im Jahr zirka 342.000 Euro kosten. Ab Beginn des Projekts 2017 trug die Deutsche Bahn (DB AG) die Kosten des Betriebs, unterstützt durch Fördermittel des Freistaats Bayern für die notwendige Infrastruktur (Tieferlegung der Unterführung unter der B 388 und Kauf von Wechselverkehrszeichen). Ab Beginn des HEAL-Projekts im Mai 2022 erfolgte die Finanzierung rein aus Mitteln des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr – allerdings nur bis zum Ende des Bewilligungszeitraums am 30. Juni 2023. Alle Beteiligten haben sich um Anschlussförderungen bemüht, diese blieben jedoch aus. Für das nächste halbe Jahr trugen Landkreis, Markt und RBO sämtliche Kosten. Der Landtagsabgeordnete Martin Wagle (CSU) aus dem Stimmkreis Rottal-Inn ließ Fraktionsmittel in Höhe von 526.500 Euro bereitstellen, die einen Betrieb über 2024 hinaus sichergestellt hätten.
Aussichtslos ist das Projekt aber keineswegs, auch darin sind sich die Partner einig. Die Finanzierung müsste allerdings neu angegangen werden, was Zeit in Anspruch nehmen wird, allein aufgrund der politischen Lage im fernen Berlin einig. Denn zuerst muss ein Bundeshaushalt stehen und ein neues Förderprogramm aufgerufen werden. Man hofft auf neue, zusätzliche Förderprojekte aus dem Bundesverkehrsministerium in den nächsten Monaten.
Linienbetrieb zwischen Bahnhof und Ort bleibt
Für den autonomen Busverkehr in Bad Birnbach bedeuten der Ausstieg des Busherstellers EasyMile und die fehlenden Fördermittel eine Reihe von Umstellungen. Der On-Demand-Betrieb auf der Linie 7016 kann ab 1. Januar 2025 nicht mehr weitergeführt werden. Damit können Fahrgäste auch die App „Wohin Du willst“ nicht mehr für Buchungen in Anspruch nehmen. Der Linienbetrieb zwischen dem Bahnhof und dem Ort (Linie 7015), der ebenfalls Teil des Förderprojekts war, soll hingegen aufrechterhalten werden – wenn auch nicht mehr mit einem autonomen Shuttle. In einem ersten Schritt haben sich die Projektpartner auf eine Verlängerung bis zum 31. März 2025 verständigt. Im Ziel, autonomes Fahren gerade für ländliche Bereiche zu erschließen, ist man sich aber weiterhin einig, wie Landrat Michael Fahmüller (CSU) und Bürgermeisterin Dagmar Feicht (CSU) in einer gemeinsamen Stellungnahme betonen. Durch den Ausstieg von EasyMile wird man nun nach neuen Wegen suchen müssen. Vorerst bleiben Zahlen, die nach wie vor ihresgleichen suchen: Von Oktober 2017 bis September 2024 wurden 123.163 km im autonomen Betrieb zurückgelegt. Dabei wurden 110.774 Personen befördert, 12.646 davon im On-Demand-Betrieb.
Text: Landkreis Rottal-Inn/red, Bild: Deutsche Bahn AG/Lara Freiburger