Die Daten sind nüchtern. Es war der 31. Januar 1994. Der Zug trug die Fahrzeugnummer 5143. Die Premierenfahrt ging auf die Linie 50. Und doch handelt es sich erkennbar um ein Stück Geschichte, denn vieles, was damals bei der BVG passierte, ist längst Vergangenheit. Die Tatra-Bahnen – ausgemustert. Der Betriebshof Niederschönhausen, auf dem die Bahn startete – stillgelegt. Der Verlauf der Linie 50 von Buchholz, Kirche zum U-Bahnhof Schwartzkopffstraße – lange überholt von der Netzentwicklung.
Geblieben ist die Farbe. Ihre Norm-Bezeichnung lautet 1023 oder prosaisch Verkehrsgelb. Ihr viel schönerer Name, der sich seit 30 Jahren durchgesetzt hat, lautet Sonnengelb. Heute sind alle Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen der BVG in dem einheitlichen Design unterwegs. Sie sind Teil der optischen Identität der Stadt und für die BVG ein wesentlicher Faktor ihres Erscheinungsbildes, von den Fachleuten Corporate Design genannt und von den Fahrgästen schon seit dem Start geliebt. So erinnert sich ein damaliger Tramfahrer gern an den Kommentar einer Dame: „Ach wie schön, auch an trüben Tagen fährt ein Sonnenschein durch unsere Stadt.“
Der Vater dieses Designs, das neben den einheitlich lackierten Fahrzeugen auch zahlreiche Symbole, die unverkennbaren und immer noch hochmodernen Schrifttypen sowie weitere Elemente umfasst, heißt Erik Spiekermann. In Interviews wird er meist als „Typografie-Papst“ untertitelt. Dass er der wiedervereinigten BVG Anfang der 1990er Jahre eine neue Schrift verpasste, ist also kein Wunder. Aber warum das Gelb? „Im Volksmund hießen die Doppeldecker immer ‚Die großen Gelben‘, aber sie waren beige. Ich nannte es Beamtengelb“, erinnert sich Erik Spiekermann. „Als ich BVG-Direktor Konrad Lorenzen vorschlug, die Busse und alle anderen Fahrzeuge wirklich gelb zu lackieren, war er sofort einverstanden. Die Farbe hieß offiziell RAL Verkehrsgelb, aber wir nannten sie Sonnengelb, und am Tag nach der Pressekonferenz titelten die Zeitungen: Die BVG bringt Sonne in die Stadt. Das ist eigentlich schon die Marke: Wo ein gelbes Fahrzeug kommt, kann man einsteigen.“
Tatsächlich gab es in der Geschichte der BVG schon vorher viel Gelbliches – vor allem aber keine markante Markenfarbe. Busse fuhren in Beige oder – korrekter – Elfenbein. Bei den Bahnen gab es im Lauf der Jahrzehnte eine ganze Vielzahl von unterschiedlichen Farbgebungen, meist entschied man sich aus verständlichen Gründen für helle, gut erkennbare Farben. Nach Gründung der BVG wurde in den 1930er-Jahren bei der U-Bahn mehrheitlich ein dunkles Ockergelb eingesetzt, zeitweise gab es noch unterschiedliche Lackierungen für Raucher- und Nichtraucherwagen. Straßenbahn und Bus fuhren in Elfenbein mit schwarzen Streifen. Die Tatra-Bahnen in Ost-Berlin wurden zunächst in Rot-Weiß geliefert, zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 aber in Orange-Weiß umlackiert.
Diesem Wirrwarr machte das neue Design nach dem Fall der Mauer und mit der Zusammenführung der Verkehrsbetriebe aus Ost und West ein Ende. Bereits 1993 hatte Spiekermann die neue, einheitliche Farbe vorgestellt, nachdem er zuvor bereits das neue Leitsystem und die so genannte Netzspinne für die BVG entworfen hatte. Die erste Linienfahrt der Straßenbahn im „Spiekermann-Design“ wurde noch zelebriert. Pankows Bezirksbürgermeister Dr. Jörg Richter, Straßenbahnchef Dr. Wolfgang Predl und BVG-Chef Konrad Lorenzen durchschnitten feierlich ein Band – natürlich ein sonnengelbes.
Knapp ein Jahr nach der ersten Straßenbahn, am 10. Januar 1995, fuhr dann auch der erste Bus in sonnengelber Lackierung durch die Stadt. Und mit den neuen U-Bahn-Baureihen H und HK hielt die Farbe Mitte der 1990er-Jahre auch erstmals in den U-Bahn-Tunneln Einzug. Alle späteren Fahrzeugbaureihen von U-Bahn, Bus und Straßenbahn wurden seitdem gleich im neuen Design geliefert.
Aktuell arbeitet Erik Spiekermann zusammen mit Bodo Baumgardt, Axel Mauruszat und Lars Krüger an einem Buch, welches die BVG vor der Wende und die Arbeiten am Corporate Design in den 1990er-Jahren dokumentiert. Die BVG wird Herausgeber dieses Buchs sein.
Text: BVG/red, Bild: Regionalverkehr