Wie sieht der Straßenbahnverkehr der Zukunft aus? Kann die fortschreitende Digitalisierung aller Lebensbereiche auch den ÖPNV bzw. das Fahrpersonal unterstützen? Diese Fragestellungen waren Gegenstand des MAAS-Forschungsprojekts der TU Darmstadt und des städtischen Verkehrsanbieters HEAG mobilo. MAAS steht für „Machbarkeitsstudie zur Automatisierung und zu Assistenzsystemen von Straßenbahnen“. Seit 2019 sammelte eine mit Sensoren und Kameras ausgestattete MAAS-Straßenbahn im Linienbetrieb der HEAG mobilo Daten. Am 3. Mai 2023 wurden die Erkenntnisse präsentiert: Die Anzahl an Fahrgästen und Fahrten in Darmstadt steigt, und die Anforderungen an das Fahrpersonal nehmen zu.
Vor diesem Hintergrund sollen die Fahrerinnen und Fahrer entlastet und unterstützt werden. Zwei dieser möglichen Unterstützungsfunktionen sind die Teleoperation von Straßenbahnen sowie ein Bremsassistent. Die Teleoperation erlaubt das Fernsteuern der Bahn von einem entsprechend ausgerüsteten Operatorplatz aus. Diese „Schaltzentrale“ wurde in der TU Darmstadt eingerichtet, die Geräte sind über Mobilfunk mit der Tram verbunden. Alle teleoperierten Fahrten wurden mit einem Fahrer und ohne Fahrgäste auf einer Teststrecke außerhalb der Innenstadt sowie auf dem Betriebsgelände der HEAG mobilo unternommen. Der Bremsassistent hilft dem Fahrpersonal dahingehend, dass die Bahn automatisiert stoppt, sobald die Sensoren und Kameras ein Hindernis im Gleisbereich wahrnehmen. Als Resultat der MAAS-Studie kommt dieser Bremsassistent bereits in den neuen TINA-Bahnen (total integrierter Niederflurantrieb) der Baureihe ST15 zum Einsatz. Die ersten Niederflurbahnen des Herstellers Stadler sollen voraussichtlich ab Herbst 2023 fahren.
Da die MAAS-Studie ergeben hat, dass teleoperierte Fahrten realisierbar sind, wollen die TU Darmstadt und HEAG mobilo weiter an den Einsatzmöglichkeiten für ferngesteuerte Fahrten forschen. Als Szenarien kommen beispielsweise das Rangieren oder Abstellen von Fahrzeugen auf dem Betriebshof infrage. Der Vorteil von Teleoperation ist, dass von einer Bahn schnell auf die andere „umgestiegen“ werden kann.
Außerdem sollen in Zusammenarbeit mit der Firma Continental Engineering Services weitere Assistenzsysteme wie zum Beispiel ein Head-Up Display auf der Windschutzscheibe der Bahn oder ein Abbiegeassistent gegen Flankenfahrten entwickelt werden. Die Forschungsbahn wird deshalb auch weiter durch die Stadt fahren, jetzt aber nicht mehr als MAAS-Bahn, sondern als InnoTram. Eine Beklebung im neuen Design verkörpert deutlich den Forschungs- und Technikbezug: neue, digitale Verbindungen, die geschaffen werden.
Text: Tim Schulz; Bild: HEAG mobilo