Eine kleine Revolution kommt in Frankreich auf die Schienen gerollt: Die französische Staatsbahn SNCF hat zusammen mit der Lohr Gruppe einen Elektroschienenbus entwickelt, der auf weniger stark ausgelasteten Nebenbahnen herkömmliche Regionalzüge ersetzen soll. Alternativ können mit dem Zweiachser auch stillliegende Strecken kostengünstig reaktiviert werden. Die Lohr Gruppe aus dem elsässischen Hangenbieten (nahe Strasbourg), die unter anderem besonders flache Taschenwagen für den Transport von Sattelaufliegern sowie ein flexibel kuppelbares Kleinbus-System anbietet, hat das Konzept des E-Schienenbusses, der den Namen Draisy trägt, Ende März auf der Schienenfahrzeugmesse SIFER 2023 in Lille präsentiert.
Mit zwölf Metern Länge ist Draisy nahezu dreimal kürzer als ein Regionaltriebzug der SNCF-Nahverkehrstochter Transport express régional (TER). Der Schienenbus läuft auf zwei Einachsfahrwerken, die beide elektrisch angetrieben sind. Zwischen den Fahrwerken sind unterflur drei flache Batteriepakete angeordnet. Der Wagenkasten ist leicht gebaut, sodass die Achslast weniger als zehn Tonnen beträgt. Draisy kann aufgrund fehlender Crash-Elemente nicht im Mischverkehr mit klassischen Zügen verkehren, sondern nur auf Linien, die allein dem Schienenbus vorbehalten sind. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 Stundenkilometer.
Der E-Schienenbus kann über eine Doppeltür in der Wagenmitte betreten werden. Die Fahrgäste erwartet ein Niederflurbereich, der als Mehrzweckzone für Rollstuhlfahrer und Reisende mit Kinderwagen ausgeführt ist. Über den Fahrwerken steigt der Wagenboden an, hier sind klassische Sitze in Vierersitzgruppen zu finden. Insgesamt können 80 Reisende befördert werden, 30 davon sitzend. Der Innenraum ist modular aufgebaut, sodass auch Fahrzeuge mit weniger Sitzen und mehr Platz für Fahrräder und Gepäck denkbar sind. An jedem Wagenende befindet sich ein kleiner Führerstand.
Draisy kann am Bahnsteig kontaktlos nachgeladen werden: Die Energie kommt aus Stromschränken, in denen gebrauchte Batterien ein zweites Leben finden. Die Reichweite soll bei 150 Kilometern liegen. Um den E-Schienenbus kostengünstig herzustellen, will Lohr auf viele Fahrzeugteile aus dem Automobil- und Busbau zurückgreifen. In das Projekt werden 30 Millionen Euro investiert: Bereits 2024 soll ein Prototyp auf die Gleise gestellt werden, der zunächst eine intensive Erprobungsphase durchläuft. Die serienmäßige Fertigung könnte ab 2027 aufgenommen werden.
Text: Tim Schulz, Bild: Lohr Gruppe