Am 11. Juli 2024, kurz vor dem EM-Finale in Berlin, beurteilte die Branche das Bus- und Bahnangebot während des vierwöchigen Turniers. VDV-Präsident Ingo Wortmann sagte: „Wir sind stolz auf die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen – es fuhr alles, was Räder hat, die Mitarbeitenden haben unzählige Überstunden investiert. Die Unternehmen überzeugten mit mehrsprachigen Informations-Konzepten und vielen Innovationen vor Ort.“
Die zwei Millionen Kombitickets mit einer Gültigkeit von 36 Std. waren die Basis dafür, dass viele Fans mit Bahn und Bus zu den Spielen reisten. Allerdings ließ das ÖPNV-System auch Schwächen erkennen. Wortmann: „Wir sind am Limit. Das System stößt vielfach an seine Kapazitätsgrenzen, der schlechte Zustand der Infrastrukturen sorgt bei punktuell erhöhter Nachfrage für ein störungsanfälliges Gesamtangebot. Es fehlt an Fahrzeugen und Personal.“ Die Fußball-EM sollte demnach endlich der entscheidende Weckruf für Bund und Länder sein, umzusteuern und den nötigen Wachstums- und Modernisierungskurs der Branche entsprechend zu finanzieren. Wortmann: „Ohne Busse und Bahnen geht es nicht, sie sind nicht nur bei sportlichen Großereignissen das Rückgrat der Mobilität.“ Mit deutlich mehr Angebot bei Bus und Bahn habe die Branche alles gegeben, was Fuhrpark und Personaldecke möglich machen.
Beispiel Frankfurt: 100.000 Reisende mehr am Bahnhof
230.000 Sportbegeisterte kamen an den fünf Spieltagen ins Stadion. Die meisten reisten klimafreundlich mit Bussen, Straßenbahnen und Zügen an. An den Spieltagen setzten die Verkehrsunternehmen zusätzlich zum regulären Straßenbahn-Verkehr zehn Sonderzüge ein. Zusätzlich fuhren an den Spieltagen bis zu 16 Stadtbusse pro Stunde die Haltestellen am Stadion an. Die S-Bahn Rhein-Main bot an Spieltagen täglich rund 300 Fahrten zum Stadion an. Am Frankfurter Hauptbahnhof wurden während der EM an Spieltagen rund 100.000 Reisende pro Tag mehr gezählt als sonst. Am Hauptbahnhof, am Flughafen und am Stadion hatte die DB das Personal an den Spieltagen deutlich aufgestockt.
Beispiel Leipzig: Bis zu 5000 km pro Spiel zusätzlich
In Leipzig fuhren die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) pro Spiel bis zu 5000 km mehr als üblich. Möglich wurde dies durch den Einsatz von bis zu 60 zusätzlichen Kollegen. So waren pro Spiel 740 Fahrer im Linien- und Veranstaltungseinsatz. Allein für die Abreise standen 40 zusätzliche Fahrzeuge zur Verfügung, die bis zu 250 zusätzliche Abfahrten rund um das innenstadtnahe und ausverkaufte Stadion ermöglichten. Auch der Verkehr rund um den Augustusplatz mit der Fanzone und rund 300.000 Besuchern konnte durch entsprechende Verstärkung reibungslos abgewickelt werden.
Beispiel Köln: Bis zu 32 Sonderzüge pro Spieltag
In Abstimmung mit der Stadt lag der Schwerpunkt der zusätzlichen Betriebsleistung an den fünf Kölner Spieltagen und dem An- und Abreiseverkehr zum Stadion. Hierfür wurden neben den regulären Stadtbahnen jeweils bis zu 32 Sonderzüge eingesetzt; auf den stadionnahen Buslinien kamen ausschließlich Gelenkbusse zum Einsatz. Insgesamt wurden im Bereich der Leitstelle und der Betriebsaufsicht an den Spieltagen bisher über 1.500 Schichten geleistet, viele davon durch Überstunden an freien Tagen. Mit mehr als 900 Servicediensten stand den Gästen stets eine Kontaktperson im Stadtgebiet zur Verfügung. Darüber hinaus halfen die Servicekräfte, einen möglichst zügigen Fahrgastwechsel an den Haltestellen zu gewährleisten.
Beispiel Gelsenkirchen: Erstmals von Essen zur Arena AufSchalke
Vier Spiel- und 26 Fanfesttage wurden organisiert. An den Spieltagen auf Schalke wurden mehr als 100.000 Fans zur Arena und wieder zurückgebracht. Dafür waren pro Spieltag durchschnittlich 120 Kollegen aus Fahrdienst, Werkstatt und Verwaltung mit 45 Bahnen und 50 bis 70 Bussen unterwegs. Solidarisch unterstützt wurde die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (BOGESTRA) von weiteren Unternehmen aus Nachbarstädten: Durch die Kooperation mit der Essener Ruhrbahn fuhren zum ersten Mal Bahnen vom Essener Hauptbahnhof zur Arena AufSchalke und wieder zurück.
Beispiel München: 100 zusätzliche Mitarbeiter
Bei jedem Spiel sind mit der MVG etwa 40.000 Fahrgäste zur Arena, etwa 25.000 zur Fan Zone sowie teilweise bis zu 30.000 zum Public Viewing im Olympiastadion und wieder zurück gefahren. An jedem Spieltag waren mehr als 100 zusätzliche Mitarbeiter sowie Zusatzzüge im Einsatz.
Beispiel Dortmund: 20 % mehr Fahrgäste
Rund 130 Stadtbahn, fast 200 Busse und mehr als 1700 Mitarbeiter waren an Spieltagen im Einsatz. Zusätzlich wurde das Personal im Bereich Service und Sicherheit auf rund 100 Kräfte pro Spieltag aufgestockt. DSW21 hat die Betriebszeiten der Stadtbahnlinien in der Nacht um bis zu zwei Stunden verlängert und die NachtExpress-Linien an die EM-Bedürfnisse angepasst. Obwohl 25 % weniger Fans im Stadion waren als bei Bundesligaspielen, verzeichnete DSW21 an den EM-Spieltagen rund 20 % mehr Fahrgäste an der Stadion-Haltestelle. Selbst beim Gewitter in der Partie Deutschland gegen Dänemark, bei dem der Westfalenpark mit 43.000 Menschen evakuiert werden musste, verlief alles reibungslos dank guter Abstimmung mit Stadt, Krisenstab, Polizei, Bundespolizei und Feuerwehr.
Schienenverkehr als verlässlicher Zubringer
Die Regionalzüge und S-Bahnen haben während der EM entscheidend dazu beigetragen, den Verkehr auf den Straßen zu entlasten und die zahlreichen Reisenden zwischen den EM-Städten klimafreundlich zu befördern. Zahlreiche Sonderverkehre auf der Schiene haben das Angebot trotz der begrenzten Infrastruktur sehr gut und zuverlässig ergänzt. In NRW wurde mit dem RE 24 sogar eine EM-Sonderlinie zwischen den Spielorten Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln eingerichtet. Allein auf dieser Linie haben die Unternehmen DB Regio, die Centralbahn und TRI rund 500 zusätzliche Fahrten mit 118.500 zusätzlichen Zug-km erbracht.
Neben dem bundesweit größten SPNV-Anbieter DB Regio fuhren viele weitere Eisenbahn-Uunternehmen die Austragungsorte an:
- Berlin: ODEG, NEB
- Leipzig: Abellio Mitteldeutschland, Transdev, Erfurter Bahn
- Hamburg: Metronom/NET, Nordbahn
- Dortmund: National Express, Eurobahn
- Gelsenkirchen: National Express, VIAS, Transdev, Eurobahn
- Düsseldorf: National Express, VIAS, Regiobahn, Transdev
- Köln: National Express, Transdev
- Frankfurt: HLB, VIAS,Vlexx/NET
- Stuttgart: Arverio BW, SWEG
- München: Arverio BY, Länderbahn/NET, Transdev
- Fußball-Sonderlinie NRW: TRI
Investitionsstau im ÖPNV in Milliardenhöhe
„Wir müssen auch im Vergleich zum Fußball-Weltmeisterschaft 2006 feststellen, dass wir in Bezug auf Verfügbarkeit und Qualität der Infrastruktur weiter zurückgefallen sind“, sagte VDV-Präsident Wortmann. Der VDV verweist auf eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft, wonach der Investitionsbedarf Deutschlands bei 600 Mrd. Euro liegt. Ein bedeutender Anteil davon entfällt auf den ÖPNV. Wortmann verwies auf eine weitere Studie: „Das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU) hat im letzten Jahr eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass für Erhalt und Ausbau der kommunalen ÖPNV-Infrastruktur in Deutschland Investitionen von insgesamt 64 Mrd. Euro bis 2030 notwendig sind.“ Ohne diese Investitionen würde Deutschland rsikieren, dass die dringend benötigte Modernisierung und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ins Stocken geraten. Wortmann unterstrich abschließend: „Wir dürfen bei allem Verständnis für die angespannte Haushaltsituation im Bund die nötigen Investionen nicht weiter verschleppen. Wir müssen Deutschlands Infrastrukturen reparieren und ausbauen und nicht endgültig kaputtsparen.“
Text: VEV/red, Bild: Deutscher/BOGESTRA