Mit den neuen Straßenbahnen des Typs TINA – der Name steht für „total integrierter Niederflur-Antrieb“ – erlebt der ÖPNV in Gera einen Komfortsprung. Im Fahrzeug, das durchgängig barrierefrei ist, finden 270 Fahrgäste Platz – 101 davon auf Sitzplätzen. Jede Bahn verfügt über fünf großzügige Multifunktionsbereiche, die ausreichend Platz für zwei Reisende im Rollstuhl, Kinderwagen oder für den Transport von Fahrrädern bieten. Die Züge sind vollständig mit modernen Klimaanlagen ausgerüstet. Ein Fahrerassistenzsystem mit Notbremseingriff und Totwinkelkameras erhöht zudem die Verkehrssicherheit. Zunächst sind sechs fünfteilige Niederflurbahnen bestellt, die einen Teil der nicht barrierefreien Hochflur-Tatra-Fahrzeuge aus den 1980er Jahren ersetzen.
Die Bestellung hat einen Auftragswert von knapp 38 Millionen Euro, der Freistaat Thüringen unterstützt die Beschaffung der neuen Fahrzeuge mit rund 17 Millionen Euro. Diese werden aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in der Förderperiode 2021 bis 2027 kofinanziert. Die Stadt Gera unterstützt das Vorhaben mit 7,2 Millionen Euro.
GVB-Geschäftsführer Thorsten Rühle sagte bei der Vertragsunterzeichnung am 11. Dezember 2023 in Gera. „Ohne die Unterstützung des Landes Thüringen und der Stadt Gera wäre es nicht möglich gewesen, moderne Bahnen zu beschaffen. Dafür möchte ich mich auch im Namen der künftigen Nutzer bedanken. Dennoch war es ein langes Ringen, bis wir nun heute endlich einen Vertrag mit Stadler über die Lieferung von sechs neuen, jeweils 43 m langen Niederflu-Straßenbahnen unterzeichnen konnten. Nur zum Vergleich: Die zwölf neueren Niederflurbahnen aus den Jahren 2006 bis 2008 haben eine Länge von 30 m. Mit der heutigen Neubestellung gehen wir einen großen Schritt in Richtung vollständige Barrierefreiheit, die der Gesetzgeber schon seit dem 1. Januar 2022 im ÖPNV vorschreibt.“ Der Vertrag enthält auch eine Option über die Beschaffung von drei weiteren Bahnen. Rühle: „Eine weitere Förderung vorausgesetzt, beabsichtigen wir die Option im Jahr 2025 zu ziehen, um dann auch die restlichen nicht barrierefreien und über 40 Jahre alten Tatra-Fahrzeuge ersetzen zu können.“ Im Rahmen des Vertrags wurde außerdem die Lieferung von Ersatzteilpaketen sowie die Durchführung von Schulungen für das Fahr- und Werkstattpersonal der GVB vereinbart.
Das Besondere an der Straßenbahn-Familie TINA ist laut Hersteller ihre hohe Flexibilität bei gleichzeitig hoher Standardisierung. Ein neu konzipiertes Drehgestell lässt sich für die unterschiedlichsten Fahrzeugtypen und Anforderungen anwenden. Ob Achsantrieb, Losräder, ausdrehende oder nicht ausdrehende Drehgestelle, verschiedene Spurweiten und Fahrzeugbreiten – die TINA-Plattform bietet für alle Straßenbahnkonzepte eine Lösung. Die Bahnen zeichnen sich besonders durch ihre Großräumigkeit, großzügige Durchgangsbreiten, viel Beinfreiheit, Panoramafenster sowie ein auf die Bedürfnisse der Fahrgäste abgestimmtes Design aus. Der optimierte Fahrgastraum ermöglicht eine barrierefreie Erreichbarkeit der Sitzplätze von jeder Fahrzeugtür aus. In Sachen Energieeffizienz punktet TINA zudem mit einem optimierten Antriebssystem und einem niedrigen Fahrzeuggewicht. Mit der Vertragsunterzeichung in Gera haben sich bereits sechs Verkehrsbetriebe für TINA entschieden, darunter HEAG mobilo in Darmstadt und die Hallesche Verkehrs-AG.
Text: Tim Schulz/pr, Bild: Stadler