„Die Güterbahnen“ haben am 14. November 2024 zum vierten Mal eine Bestandsaufnahme zu den Korridor-Sanierungen des Schienennetz-Betreibers DB InfraGO veröffentlicht. Das Fazit fällt trotz bisher erfolgreichem Verlauf auf dem ersten Korridor, der Riedbahn von Frankfurt (Main) nach Mannheim, kritischer aus als noch im Sommer. Der Verband forderte die DB zu verlässlicherer und kundenorientierter Planung auf und mahnte den Bund, seine Milliarden-Zusagen für die Schienen-Infrastruktur auch in der Haushaltskrise nicht zu brechen.
Riedbahn vermutlich nicht repräsentativ
Anders als die Bahn ordnen „Die Güterbahnen“ die Bauerfolge auf der Riedbahn weniger euphorisch ein – denn auf der Riedbahn findet „Bauen unter Laborbedingungen“ statt. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks, sagte am 14. November 2024 in Frankfurt (Main): „Man hatte diesen Korridor nicht allein wegen seiner verkehrlichen Bedeutung als Auftakt gewählt. Auch die Bedingungen für die Umleitungen des Güter- und Personenverkehrs sind hier nahezu perfekt. Zusammen mit Vorarbeiten, einem beschränkten Maßnahmen-Umfang und kaum beschränkten Ressourcen gelingt der für Verkehrsminister und DB-Vorstand bedeutsame Korridor.“ Nach Ansicht von Westenberger gelten diese Prämissen jedoch für fast keinen der 40 Korridore, die noch folgen sollen.
Die Weiterführung des Konzepts mit zwei Korridoren 2025 und fünf Korridoren 2026 wird jedoch durch die Haushaltskrise des Bundes infrage gestellt: Das Ende der Ampel gefährdet die Finanzierung und in einigen Fällen auch die bevorstehende Vergabe von Bau- und Planungsleistungen. Bisher schleppend verhandelte Vereinbarungen zwischen Bund und DB AG führen angesichts des nun fehlenden Bundeshaushalts 2025 zu erheblichen Unsicherheiten, ob die DB jetzt die nötigen Riesenaufträge vergeben kann und die nötigen Mittel dafür vom Bund bekommt. Westenberger: „Die bisher besprochene Finanzierung der Infrastruktur bis 2027 steht auf wackeligen Beinen. Bei den Parteien herrscht Einigkeit über einen mehrjährigen Infrastruktur-Fonds, wir sehen also nicht, wieso ein solches Vorhaben nicht noch vor den Neuwahlen konzeptionell seitens des Verkehrsministers angegangen werden sollte.“
Drohende Kosten-Explosionen?
Im ungünstigsten Fall droht wegen der zu kurzen Vorlaufzeit und der Größe des Vorhabens bei der übernächsten Vollsperrung, der fast 300 km langen Strecke zwischen Hamburg und Berlin, eine Kosten-Explosion wie bei der Riedbahn. Die Bauaufträge sind noch nicht vergeben. Gerüchte machen die Runde – so „Die Güterbahnen“ –, dass sich ähnlich wie bei der Riedbahn wegen der Größe nur wenige Unternehmen beworben haben, was in der Regel nicht zu niedrigen Preisen führt. Das Netzwerk fordern die Bahn auf, ihr Kostenziel von 2,2 Mrd. Euro nicht zu reißen – gleichzeitig aber bei dieser langwierigen Sperrung den Leistungsumfang nicht willkürlich zu reduzieren. Westenberger: „Bei einem 2,2-Mrd.-Budget darf sich die Riedbahn-Kostensteigerung von 160 % nicht wiederholen.”
Änderungen bei den Planungen
Zuletzt hat die DB zudem zwei schwerwiegende Planänderungen bekannt gegeben, die den Eindruck eines sehr chaotischen Planungsprozesses bei der DB selbst und beim Bund verstärken.
- Entgegen den Bekundungen des Bundesverkehrsministers und der DB beim Schienengipfel 2023 in Frankfurt wurde die Korridor-Planung ab 2026 noch einmal massiv umgestellt: Zahlreiche zeitliche Planungen wurden ohne genaue Angabe von Gründen verlegt. Zudem gibt die DB InfraGO für die Jahre ab 2029 keine konkrete Planung mehr für die dann noch anstehenden 19 Korridore an. Westenberger: „Das geht vor allem zu Lasten der Eisenbahnkunden und der Bauwirtschaft, die keine langfristigen Planungen mehr für bare Münze nehmen können.“
- Viele 2022 als Standard angekündigte und mit den Bahnunternehmen abgestimmte qualitäts- oder kapazitätsverbessernde Maßnahmen werden nicht standardmäßig realisiert. Diese Art von Maßnahmen auf allen vollgesperrten Korridoren mit zu erledigen, war eines der drei zentralen Versprechen der Korridorsanierungen, die für „Die Güterbahnen“ zur Unterstützung des neuen Sanierungskonzepts führten – geringere Störeffekte durch zeitliche Bündelung von Maßnahmen und längere Baufreiheit gehörten ebenfalls dazu. Doch immer wieder werden zugesagte Maßnahmen revidiert. Westenberger kommentiert: „Wo zuvor mal von acht und gar zehn Jahren Baufreiheit nach erfolgreicher Korridor-Sperrung die Rede war, liegen wir inzwischen bei ,über fünf‘. Es sollten Strecken eigentlich nur fünf Monate gesperrt werden, bei Hamburg – Berlin sollten es dann schon neun Monate sein. Neuer Spitzenreiter ist Berlin – Lehrte, nunmehr schon die dritte Strecke, die zweifach voll gesperrt werden und eine Gesamtsperrdauer von 12 Monaten erreichen soll.“
Umleitungen auf eigene Kosten
Die Güterverkehrs-Branche hatte sich beim übernächsten Korridor, wenn die Strecke zwischen den beiden größten deutschen Städten Hamburg und Berlin 2025 und 2026 für insgesamt neun Monate voll gesperrt werden soll, schon auf intensive Diskussionen des Umleiter-Konzepts vorbereitet. Die Unternehmen sollen massive Umwege von bis zu 195 km in Kauf nehmen und die damit verbundenen Kosten allein tragen. Westenberger abschließend: „Das Umleiter-Konzept ist bis heute nicht mit den Güterbahnen abgestimmt – im schlimmsten Fall funktioniert das Konzept so schlecht, dass sich eine ernsthafte Krise entwickelt.“
Text: Die Güterbahnen/red, Bild: Regionalverkehr