Fahrgäste der Mainzer Verkehrsgesellschaft mbH (MVG), die unter der Marke „Mainzer Mobilität“ Bus- und Tramverkehre in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt erbringt, können die Wartezeit an der Haltestelle „Stadtpark/LEIZA“ künftig im Schutz einer Beton-Skulptur verbringen, die den stark vergrößerten, liegenden Kopf einer antiken Venus-Statue als Hohlform zeigt. Mit diesem Entwurf hatte die Künstlergruppe Jonathan Banz und Nikolai von Rosen 2021 einen europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb des Landes Rheinland-Pfalz für Kunst am Bau gewonnen. Die neue Haltestelle am ebenfalls neu errichteten Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) wurde am 3. Mai 2024 im Beisein der Künstler, von Landes-Bau- und -Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) sowie von Vertretern der beteiligten Institutionen eingeweiht.
„Die liegende Göttin ist die ideale Außenbotschafterin für das Museum und bereichert das Mainzer Stadtbild“, sagte Ministerin Ahnen. „Das LEIZA nimmt nicht nur in der archäologischen Forschung eine zentrale Rolle ein, sondern auch in der Vermittlung von Wissen. Mit der Kunst am Bau haben wir die Schaffung eines einzigartigen Kunstwerks ermöglicht, das dieser Bedeutung des LEIZA gerecht wird.“
Die Künstler Jonathan Banz und Nikolai von Rosen erklärten: „Wir wollten mit den Mitteln der Kunst den öffentlichen Raum vor dem neuen LEIZA mit einem identitätsstiftenden Bild bereichern. Herausgekommen ist eine Bushaltestelle der besonderen Art. Sie steht für das LEIZA ebenso wie für den öffentlichen Nahverkehr und stellt zudem einen Bezug zu den römischen Wurzeln der Stadt her. Ein Ort um auf den Bus zu warten und zugleich ein Fotomotiv und ein Treffpunkt. Vielleicht wird es sogar eine Art Wahrzeichen.“
Baulich realisiert wurde die Kunst-Haltestelle im März und April 2024. In einer Modellfabrik in Duisburg wurde die Abgussform – fachlich: Matrize – für die Haltestelle hergestellt. Die Matrize hatte eine Rückseite aus Holz. Darauf kam ein Aufbau aus Styropor, aus dem die grobe Form des Göttinnen-Kopfes herausgefräst wurde, darüber ein Glasfasernetz und schließlich Epoxidharz-Platten. Nach deren Aushärten wurden die Feinheiten des göttlichen Antlitzes nach dem Vorbild eines antik-römischen Venuskopfes eingefräst.
Anfang April wurde die Matrize per Lkw nach Mainz transportiert und an der Haltestelle auf einem 1,5 m dicken Beton-Fundament abgesetzt. Die Matrize wurde mit Baustellen-Schaltafeln aus Holz verschalt und mit Beton ausgegossen, der wie beim Gebäudebau mit Stahl bewehrt wurde. Damit der Beton die Details der Kopfform komplett ausfüllt, wurde ihm ein Fließmittel zugesetzt. Nach dem Aushärten des Betons wurden Schalung und Matrize Schritt für Schritt entfernt. Am Ende stand der 3,9 m hohe Betonquader mit einer Breite von 4,4 m frei – die Betonage war gelungen.
Nach dem Ausschalen der Betonskulptur wurde ihre Oberfläche geglättet und mit einem Anstrich versehen, zusätzlich erhielt sie einen Graffiti-abweisenden Überzug. Die Nachtbeleuchtung der „göttlichen Haltestelle“ ist im Ohr der Venus installiert, die MVG installierte zudem eine digitale Fahrgast-Informationsstele. Zum Schluss werden im weiteren Umfeld Pflasterplatten gelegt und die dauerhafte Sitzbank eingebaut. Die MVG will die Haltestelle nach dem Abschluss von Restarbeiten im Lauf des Monats Mai in Betrieb nehmen.
„Die Haltestelle am LEIZA ist ein wichtiger ÖPNV-Knotenpunkt in Mainz“, sagte MVG-Geschäftsführer Jochen Erlhof. „Es gibt hier etwa 1200 ein- und aussteigende Fahrgäste täglich. Mit neun Buslinien hat die Haltestelle zudem eine wichtige Umsteigefunktion. Wir waren begeistert, als wir den ersten Entwurf gesehen haben und wussten, das wird ein echter Hingucker für das LEIZA und als Haltestelle.“
Der originale Venuskopf, der als Vorbild für die Bushaltestelle diente, ist aus Marmor, rund 40 cm hoch und in der Fachwelt als „Venus von Martres“ bekannt – nach dem Ort in Frankreich, in dem er 1826 gefunden wurde. Der Schöpfer des Kopfes, eventuell einer kompletten Venus-Statue, ist unbekannt. Stilistisch steht sein Werk in der langen Tradition von antik-römischen Kopien einer berühmten Aphrodite-Statue des griechischen Bildhauers Praxiteles aus dem 4. Jh. v. Chr. Die Venus von Martres ist im Museum Saint-Raymond in Toulouse zu sehen. Die beim Original abgebrochene Nasenspitze wurde für die Mainzer Kunst-Haltestelle rekonstruiert.
Text: Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung Rheinland-Pfalz (LBB)/red, Bild: LBB