
Für Hersteller wird es immer wichtiger zu wissen, wie sich Produkte auf die Umwelt auswirken. So auch im Bereich ÖPNV. Insbesondere in der Sparte der Elektrobusse kommt es auf korrekte und verlässliche Informationen zu den Emissionen an. Unternehmen müssen regulatorische Anforderungen erfüllen und Kundenanfragen bedienen, wollen aber auch eigene Dekarbonisierung-Ziele erreichen. Aufschluss über die Umwelt-Auswirkungen gibt eine Ökobilanzierung (Englisch: Life Cycle Assessement, kurz LCA). Deren Ergebnisse können anschließend als Enviromental Product Declaration (EPD), veröffentlicht werden.
Standardisierung ermöglicht schnellere Analysen
Das allgemeine Interesse ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, um umweltbezogene produktspezifische Informationen auszuweisen. Gleichzeitig stellt die Ökobilanzierung einen wesentlichen Baustein für die Entwicklung einer fundierten Umwelt- und Klimastrategie dar. Aus diesen Gründen entschied sich MAN Truck & Bus für eine weitere Ökobilanzierung, die des MAN-Stadtbusses Lion’s City 10 E. Unternehmen stehen bei solchen Projekten in der Regel vor drei wesentlichen Herausforderungen: Die Berechnung ist sehr aufwändig, LCA-Modelle sind stark abhängig von Daten-Verfügbarkeit und -Qualität, und es gibt intern einen hohen Bedarf an Experten, um Berechnungen durchzuführen. MAN zog daher die Management- und IT-Beratung MHP unterstützend hinzu. „Wir haben auf vorhandene, bereits zertifizierte Modelle zur Datenverarbeitung in der Software ‚Life Cycle Assessment for Experts‘ aufgesetzt, diese jedoch standardisiert und konkretisiert“, sagt Thorsten Ertel, Associated Partner bei MHP.
Umfangreiche Datensammlung
Das Team vereinheitlichte die Rohdatenabfrage, übernahm größtenteils die Datensammlung zu einer „Single Source of Truth“, vereinfachte und standardisierte diese zudem, und konkretisierte Teile der Berechnung. Dafür sammelten sie zahlreiche Daten-Inputs aus unterschiedlichen Datenquellen. Dabei betrachteten sie den gesamten Lebensweg des Fahrzeugs – Materialien und Komponenten, Herstellung, Logistik, Nutzungsphase, Tauschteile und Nutzungsende –, und bildeten die unterschiedlichen Produktions-Standorte und Transportwege ab.
Berücksichtigung diverser ISO-Normen
Außerdem bereitete das Team die Daten-Modellierung von 35 Prozessen mit über 1000 Parametern in der Software auf, bereinigte diese qualitativ, und evaluierten dann die benötigten Indikatoren. Wesentlich für eine EPD-Verifizierung sind unter anderem die Normen ISO 14040/44 mit Regeln für die Ökobilanz, ISO 14025:2006 als Basis für Umwelt-Kennzeichnungen und ISO 22628:2002 zur Berechnung von Recycling-Fähigkeit und Verwertbarkeit von Kraftfahrzeugen. Hinzu kommt der Bus-spezifische EPD-Standard mit geltenden Product Category Rules. Im letzten Schritt stand das Team beratend bei der Veröffentlichung der EPD zur Seite und baute eine Dokumentation zur Vorgehensweise und Daten-Sammlung der LCA-Software auf. Thorsten Ertel: „Bei dem Projekt kam es auf umfassende Kenntnisse in den Bereichen Nachhaltigkeit, Materialwissenschaften und Fahrzeugtechnik sowie Kompetenz in der Zusammenarbeit mit Global Delivery an.“
Quantitative und qualitative Ergebnisse
Im Ergebnis konnte das Team die Prozesse effizienter gestalten und den enormen Zeitaufwand für die Berechnung der Ökobilanz um 30 % reduzieren. Damit verbunden war eine zügige Veröffentlichung der EPD für den Vertrieb des Busses an Städte und Gemeinden. Transparentere Daten erlauben zudem eine bessere und genauere Berechnung. Dies erleichtert es MAN, Hotspots zu erkennen, Ineffizienzen aufzudecken, Maßnahmen auszuarbeiten, um Ressourcen einzusparen und Umweltauswirkungen zu reduzieren, sowie Erkenntnisse für künftige Projekte zu gewinnen. Dies fördert zudem die Dekarbonisierung – die Auswertung ist eine wesentliche Grundlage, um die Auswirkung transparent auszuweisen und Maßnahmen zur Reduzierung dieser Umweltauswirkungen auszuarbeiten. „Gemeinsam konnten wir die Umweltauswirkungen des 10-m-Busses bewerten und die erfolgreiche Verifizierung der EPD sicherstellen“, fasst Anna Kuttenreich, Koordinatorin für Ökobilanzierungen bei MAN Truck & Bus zusammen.
Erfahrungen für weitere Fahrzeuge nutzen
In Zukunft ist geplant, die erlangten Erfahrungen aus der EPD des Lion’s City 10 E auf weitere Varianten von Nutzfahrzeugen zu übertragen. MHP wird hierzu, zusammen mit den Mitarbeitern von MAN, die Methoden und Vorgehensweisen weiter vereinfachen, Verbesserungen ausarbeiten, Prozesse weiterentwickeln und den Standard ausweiten, um quantitative und qualitative Berechnungen durchzuführen.
Text: Catrin Schreiner/red, Bild: MAN Truck & Bus