Das ambitionierte Ziel ist definiert, der Weg dorthin zurzeit noch offen: Ab Ende dieses Jahrzehnts will Daimler Buses mit seinen Marken Mercedes-Benz und Setra vollelektrisch angetriebene Reisebusse anbieten. Zur Beschleunigung der Entwicklung hat sich Daimler Buses mit renommierten Forschungsinstituten und Praktikern aus der Branche zum Projekt „Electrified Coach“ (ELCH) zusammengeschlossen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.
Stadtbusse mit vollelektrischem Antrieb gehören inzwischen zum Straßenbild in vielen deutschen und europäischen Städten. Anders elektrisch angetriebene Reisebusse: Ihre Entwicklung ist ungleich schwieriger, sind doch für den Einsatz in der Praxis zahlreiche Hürden zu überwinden. Unabdingbar und teils gegensätzlich sind Anforderungen an große Reichweite im Fernverkehr, Flexibilität im Einsatz, Zwischenladungen für Batterien, hohe Zuladung und der Raumbedarf für Fahrgäste und Gepäck. Bisher ist es noch keinem Bushersteller gelungen, einen batterieelektrischen Reisebus zu entwickeln, der praxistaugliche Reichweiten und Verfügbarkeit für ein breites Spektrum der Einsatzbedingungen abdeckt.
Ziel des Projekts ELCH ist die Entwicklung eines modular aufgebauten Antriebsstrangs einschließlich zweier emissionsfreier und praxisgerechter Demonstrations-Fahrzeuge in den kommenden vier Jahren. Sie werden im Anschluss unter realen Einsatzbedingungen erprobt. Beim ELCH verfolgen die Partner einen ganzheitlichen Ansatz: Zunächst wird in einer Konzeptphase im Modellversuch ein modular aufgebauter Antriebsbaukasten mit Blick auf Energieverbrauch, Reichweite, Fahrleistung und Batterielebensdauer untersucht. Dabei werden Synergien zu Komponenten aus dem LKW-Bereich von Daimler Truck beachtet. In die Ergebnisse fließen im zweiten Schritt Faktoren wie die Gesamtkosten, Umweltwirkung und die mögliche Integration in bestehende Betriebskonzepte von Busunternehmen ein. Auf Basis der Konzeptbewertung werden sodann zwei Prototyp-Antriebsstränge entwickelt und in Demonstrator-Fahrzeuge integriert. Damit erfolgt eine Erprobung unter realen Einsatzbedingungen. Die Erkenntnisse aus dem Aufbau der Demonstrationsfahrzeuge bilden die Grundlage für die Planung kostengünstiger Produktions- und Montageprozesse elektrisch angetriebener Reisebusse. Dies ermöglicht in Kombination mit dem modular aufgebauten Produktansatz einen schnellen Produktionsanlauf.
Die Akzeptanz der Technologie hängt maßgeblich von deren Eignung in der Praxis ab. Sie wird im Vorhaben erstmals systematisch erfasst und dient als Referenzmaß für die Auslegung der Antriebsstränge. Der Bauraum der Fahrzeuge soll so weit wie möglich den heutigen Dieselbussen entsprechen. Außer deren Reichweite sind der Erhalt von Fahrgastkapazität inklusive der Zuladung für das Reisegepäck wichtige Voraussetzungen für den Erfolg von E-Reisebussen. Neben dem Antriebsstrang und der Batterietechnologie messen die Projektpartner den Themen Aerodynamik und Leichtbau eine wesentliche Rolle bei.
Zudem wird die Wirtschaftlichkeit der resultierenden Fahrzeugkonzepte aus Sicht der Betreiber bewertet und in der Konzeptdefinition berücksichtigt. Ziel ist es, kosteneffiziente Konzepte für einzelne Fahrzeuge und ganze Flotten von elektrisch angetriebenen Reisebussen für die verschiedenen Einsatzprofile zu identifizieren. Versuchsfahrten auf realen Kundenzyklen bilden darüber hinaus die Grundlage für die Weiterentwicklung der Antriebsstränge hin zur Serienreife.
Koordinator des ELCH-Projekts ist Daimler Buses. Projektpartner sind das Karlsruher Institut für Technologie KIT, die Universität Mannheim, die Technische Universität Kaiserslautern und der Betreiber Flix SE mit seinen grünen Flix-Fernbussen.
Flix SE bringt in das Projekt seine ausgeprägte Kompetenz in der Planung und Steuerung des weltweit größten Fernbusnetzes ein. So bilden die Einsätze der aktuellen Fahrzeugflotte die Datengrundlage für die Ableitung repräsentativer Fahrzyklen für Fernlinien. Das „Institute for Mechanical and Automotive Design“ (iMAD) und der „Lehrstuhl für Strömungsmechanik und Strömungsmaschinen“ (SAM) der TU Kaiserslautern verfügen jeweils über spezifisches Expertenwissen in den Disziplinen Leichtbau und Aerodynamik. Bei der Entwicklung neuer Lösungsansätze setzen die Forscher moderne Simulationsmethoden ein und können auf entsprechende Versuchseinrichtungen zurückgreifen. Das „Institut für Technik der Informationsverarbeitung“ (ITIV) des KIT bringt sein Expertenwissen im Umgang mit großen Datenmengen im Rahmen der Analyse von Einsatzbedingungen sowie der Entwicklung einer intelligenten Betriebsstrategie ein. Dabei sollen neben der Minimierung des Energiebedarfs auch Faktoren wie eine optimale Lastverteilung des Antriebsstrangs und der effiziente Einsatz von Rekuperation berücksichtigt werden, wobei Methoden der Künstlichen Intelligenz zum Einsatz kommen. Das an der Universität Mannheim angesiedelte „Mannheim Institute for Sustainable Energy Studies“ (MISES) wird die Wirtschaftlichkeitsanalyse aus Sicht der Betreiber durchführen und somit einen wichtigen Beitrag für die Konzeptfestlegung liefern.
Text: Daimler Buses, Tim Schulz; Bild: Daimler Buses