Batterie-elektrisch fahrende und/oder mit Wasserstoff angetriebene Triebzüge sind auf dem Vormarsch: Sie ermöglichen auch auf nicht elektrifizierten Strecken einen emissionsfreien Betrieb. Um mehr Fahrgäste befördern zu können, sind zahlreiche neue Fahrzeuge zumindest teilweise mit doppelstöckigen Wagen ausgestattet. Wir haben uns die wichtigsten Neuheiten für den Regionalverkehr auf der InnoTrans 2024 angeschaut.
Alstom: Coradia Max für Niedersachsen
Doppelstöckig geht es bei Alstom zu: Der Hersteller informiert über den Avelia Horizon, einen neuen Hochgeschwindigkeitszug, und zeigt den neuen Coradia Max in der Version für das Expresskreuz Bremen/Niedersachsen. Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) hat 34 vierteilige Züge bestellt. Der Vertrag hat einen Wert von rund 760 Mio. Euro und umfasst auch Instandhaltung und Wartung.
Die Auslieferung der ersten Einheiten ist ab Sommer 2025 geplant, ab Ende 2025 sollen die Züge von DB Regio auf den Strecken Strecken Hannover – Bremen – Oldenburg – Norddeich Mole/Wilhelmshaven, Hannover – Bremen – Bremerhaven-Lehe und Osnabrück – Bremen – Bremerhaven-Lehe eingesetzt werden. Der vierteilige Coradia Max für die LNVG besteht aus zwei doppelstöckigen End- und zwei einstöckigen Mittelwagen. Zusätzlich hat die LNVG weitere 18 Mittelwagen geordert, um ab 2028 neun Triebzüge um jeweils zwei Mittelwagen ergänzen zu können. Die Vierteiler bieten 405 Sitze, wobei auf größere Sitzabstände geachtet wurde.
DB Regio: Modernisierte Kölner S-Bahn
Ein Hingucker ist der von DB Regio NRW für die Kölner S-Bahn sanierte S-Bahn-Triebzug der Baureihe 424. Bis Mitte 2025 werden ingesamt 24 der zwischen 1999 und 2000 gefertigten Bahnen umgebaut und modernisiert. Das Zuginnere wird völlig neu gestaltet: So gibt es etwa für Fahrräder, Rollstühle, Kinderwagen und Gepäck mehr Platz. Auch technisch sind die Züge voll auf Höhe der Zeit: Große und moderne Displays informieren die Fahrgäste detaillierter über ihre Fahrt. Zudem profitieren die Reisenden künftig auch von W-LAN und USB-Steckdosen.
Abgerundet wird die Modernisierung durch eine neue Außenlackierung in Rot und Silber. Und es bleibt nicht bei den Fahrzeugen der Baureihe 424: Auch die Baureihen 422 und 423, von denen bei der S-Bahn Köln insgesamt 99 Einheiten unterwegs sind, sollen in den kommenden Jahren nach dem Vorbild der 424er erneuert werden. Insgesamt investieren die Aufgabenträger go.Rheinland und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) rund 350 Mio. Euro in die Modernisierung der drei Fahrzeugreihen.
KONČAR: Batterie-elektrischer Triebzug
Der kroatische Hersteller KONČAR zeigt den Prototyp eines batterie-elektrischen Triebzugs mit sechs Energiespeichern, der an die kroatische Staatsbahn HŽ geliefert wird. Das zweiteilige Fahrzeug ist überwiegend niederflurig und kann an stationären Ladestationen sowie unter der Oberleitung geladen werden.
Der Lieferung des Fahrzeugs wurde bereits 2022 vereinbart – sollte sich der emissionsfrei fahrende Triebzug bewähren, wird an die Bestellung weiterer Einheiten gedacht.
Siemens: Mireo Smart und Mireo Plus H
Gleich zwei Triebzüge für den Regionalverkehr stellt Siemens vor: den stark standardisierten Mireo Smart, der innerhalb von nur 18 Monaten lieferbar, zugelassen und einsatzfähig sein soll, sowie den mit Wasserstoff betriebenen Mireo Plus H für die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB).
Der neue Mireo Smart bietet Betreibern im Regionalverkehr einen effizienten Beschaffungsprozess, da er nur maximal 18 Monate von der Beauftragung bis zur Betriebsaufnahme benötigt. Verkehrsbetreiber können flexibel auf die steigende Nachfrage reagieren und ihre Flotten ohne langwierige Verzögerungen erweitern. Der Verkaufsprozeß erfolgt transparent und unkompliziert über ein Datenblatt mit festen Konditionen. Zudem können die Kunden einen Servicevertrag mit einem Ersatzteil- und Instandhaltungspaket abschließen. Der Mireo Smart ist dabei grundsätzlich als dreiteiliger Triebzug mit einer Länge von 70 m lieferbar. Die Fahrzeuge sind als klassische Elektrotriebzüge (EMU), mit batterie-elektrischem Antrieb (BEMU) sowie als Wasserstoffzüge (HMU) erhältlich. Jeder Zug hat eine Kapazität von 214 Sitzplätzen (12 davon in der 1. Klasse), 21 Fahrradstellplätzen und zwei Rollstuhlplätzen. Möglichkeiten zur Individualisierung bestehen bei der Einstiegshöhe, die je nach Einsatzgebiet bei 61 oder 80 cm über Schienenoberkante (SO) liegen kann, bei der Auswahl der Sitzpolster sowie bei der Außengestaltung.
Mit einem Mireo Plus H für die NEB, der nicht auf dem Freigelände, sondern „nur“ im Rahmen von Sonderfahrten erlebt werden kann, präsentiert Siemens seinen ersten serienmäßigen Triebzug mit Wasserstoff-Antrieb. Insgesamt werden sieben zweiteilige Einheiten an die NEB geliefert. Bereits am 30. Oktober 2023 hatte der letzte Zug das Herstellerwerk in Krefeld verlassen, zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2024 sollen die ersten Einheiten den regulären Betrieb aufnehmen. Die neuen Mireo Plus H werden auf der Heidekrautbahn von Berlin-Karow über Basdorf nach Schmachtenhagen und Groß Schönebeck sowie auf der noch zu reaktivierenden NEB-Stammstrecke von Berlin-Wilhelmsruh nach Basdorf verkehren. Der Einsatz der Züge ist Teil eines vom Bund und von den Ländern Berlin und Brandenburg geförderten Pilotprojekts zum Aufbau einer regionalen, nachhaltigen Wasserstoffinfrastruktur, zu der auch ein Hybridkraftwerk und eine Tankanlage gehören. Die Mireo Plus H werden von der KfW IPEX-Bank finanziert. Die Umstellung von Diesel auf Wasserstoff auf der Heidekrautbahn reduziert den jährlichen CO₂-Ausstoß um rund drei 3000 t und spart 1,1 Mio. Liter Diesel ein.
Am Siemens-Stand im hub27 wird das Außendesign der neuen Münchner S-Bahn vorgestellt. Die Deutsche Bahn (DB AG) hat 90 Züge in XXL-Größe bestellt: Der 200 m lange Gliederzug mit 13 Wagen ist erstmals vollständig durchgängig begehbar und bietet Platz für mindestens 1820 Fährgäste. Die ersten XXL-Züge sollen Ende 2028 den Betrieb aufnehmen. Das Außendesign wurde von der neomind GmbH aus München entwickelt.
Für den Fernverkehr zeigt Siemens Mobility den Hochgeschwindigkeitszug Velaro in der Version für Ägypten sowie den zusammen mit Skoda gefertigten Vectrain bzw. ComfortJet: Bei diesem handelt es sich um einen Wendezug für den IC- und EC-Verkehr der tschechischen Staatsbahn CD, der von einer Siemens-Vectron-Lokomotive gezogen bzw. geschoben wird.
Stadler: RS ZERO, FLIRT Akku und KISS-Cityjet
Bei Stadler ziehen gleich zwei emissionsfrei fahrende Triebzüge die Blicke auf sich: Der RS ZERO, der mit Wasserstoff- und Batterie-Antrieb angeboten wird, sowie der batterie-elektrische FLIRT Akku. Während der RS ZERO noch ein Prototyp ist, handelt es sich beim FLIRT Akku um eine Kundenvariante für den Betreiber DB Regio in Rheinland-Pfalz.
Der RS ZERO kann vollständig batterie-elektrisch betrieben und zudem mit einem Wasserstoff-Power-Pack als Energiequelle ausgestattet werden. Der auf der InnoTrans gezeigte Prototyp gilt als Nachfolger des dieselbetriebenen Regio-Shuttle RS1, von dem in den vergangenen 25 Jahren knapp 500 Einheiten gefertigt wurden. Das einteilige Fahrzeug soll es auch in einer zweiteiligen Variante geben. Der RS ZERO bewahrt die charakteristischen trapezförmigen Fensterbänder des RS1 und fügt sich mit einem modernen LED-Wing auf der Front in das futuristische Stadler-Design ein.
In Rot- und Grautönen gehalten ist der neue FLIRT Akku für das Pfalznetz, das unter anderem die Strecken von Kaiserslautern nach Kusel, Lauterecken-Grumbach und Pirmasens sowie die Linie Saarbrücken – Pirmasens – Landau (Pfalz) – Karlsruhe umfasst. Insgesamt sind 44 Zweiteiler bestellt. Mit 55,5 m sind die neuen Einheiten etwas länger als der klassische FLIRT bzw. der FLIRT Akku für Schleswig-Holstein, was eine größtmögliche Fahrgastkapazität garantiert. Insgesamt finden 325 Reisende Platz, 172 davon sitzend. Der batterie-elektrische Zug ist durchgängig klimatisiert, mit WLAN ausgestattet und verfügt über großzügige Multifunktionsabteile an allen Einstiegen. Darüber hinaus bietet ein besonderer Loungebereich hinter einem der zwei Führerstände ein neues Reisegefühl.
Ebenfalls auf dem Freigelände der InnoTrans zu sehen ist der für die ÖBB Personenverkehr AG gebaute Doppelstock-Triebzug KISS, von dem (in einem Rahmenauftrag über 186 Triebzüge) bislang 79 Fahrzeuge bestellt wurden. Sie werden in vier Varianten geliefert: vier- und sechsteilig für den Nahverkehr, sechsteilig für den Fernverkehr und fünfteilig für den CAT-Flughafenzug. Im Inneren erwarten den Reisenden bequeme Sitze, eine Klimaautomatik, Steckdosen in jeder Sitzplatzreihe, Gratis-WLAN, Monitore mit Echtzeitinformationen und Videoüberwachung. Die vierteiligen Cityjets sind zirka 150 m lang und verfügen über eine Sitzplatzkapazität von 373 Personen, die Sechsteiler sind zirka 220 m lang und bieten bis zu 593 Passagieren einen Sitzplatz.
Uerdinger Schienenbus
Die ENON GmbH Co. KG, die Personen- und Güterverkehre betreibt, kommt mit dem Uerdinger Schienenbus 798 610-1 ihres Tochter-Unternehmens Hanseatische Eisenbahn (HANS) nach Berlin. Mit dem 68 Jahre alten Triebwagen, der schon auf der InnoTrans 2022 ein Blickfang war, wird für den Beruf des Lokführers geworben. Der Zweiachser, der 1956 in der Waggonfabrik Uerdingen AG gefertigt wurde (dem heutigen Siemens-Werk in Krefeld-Uerdingen), steht bei der HANS als Reserve und für Sonderfahrten zur Verfügung.
Der 798er hat eine bewegte Vergangenheit: Von 1956 bis 1995 war bei der Deutschen Bundesbahn unter anderem in Siegen, Wuppertal, Karlsruhe und Augsburg im Einsatz, ehe er Ende 1995 in Mühldorf (Inn) ausgemustert wurde. Zwischen 1996 und 2018 fuhr er für die Prignitzer Eisenbahn GmbH (PEG), überwiegend auf der Strecke von Pritzwalk nach Putlitz. Seit 2018 ist er im Auftrag von HANS unterwegs, meist auf Strecken in der Prignitz.
Aachener Rail Shuttle
Das moderne Gegenstück des Uerdinger Schienenbusses ist der Rail Shuttle der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Mit dem Aachener Rail Shuttle (ARS) soll der ÖPNV auf der Schiene revolutioniert werden: Der auf der InnoTrans 2024 gezeigte Prototyp fährt elektrisch und autonom, idealerweise sollen auch Nebenstrecken so im attraktiven 15- bis 20-Minuten-Takt bedient werden. Der 13 m lange Zweiachser wurde in der Versuchshalle des Instituts für Schienenfahrzeuge und Transportsysteme gebaut. Im Innenraum ist das Fahrzeug noch nicht ganz fertig – mehrere Sitze lassen erkennen, dass der Fahrkomfort in etwa dem von Bussen entsprechen wird.
Ob und wann der ARS jemals in Serien gefertigt wird, hängt von der Zulassung des fahrerlosen Fahrens ab. Vorstellbar sei nach Angaben der RTWH Aachen aber auch, dass einige Fahrzeuge für Pilotprojekte zum autonomen Fahren ausgeliefert werden, andere hingegen mit Führerstand. Durch die geringen Stückkosten können die Rail Shuttles auch mit Fahrer für die Betreiber von gering ausgelasteten Nebenstrecken wirtschaftlich interessant sein. Zur Reichweite des kleinen E-Schienenbusses gibt es noch keine Angaben. Mit an Bord des Projekts sind unter anderem die Hersteller Knorr Bremse und Schaeffler.
Text: red/pr, Bilder: Regionalverkehr