Blech, Staus und zugeparkte Gehwege prägen weiterhin das Stadtbild in Wiesbaden, die Verkehrspolitik hat sich festgefahren. Gerade wer damals lauthals Alternativen zur geplanten Citybahn forderte und verkündete, hat seitdem nur Fundamentalopposition, aber keine Lösung parat. Das meint der Verein „Wiesbaden neu bewegen e. V.“, der ausdrücklich alle Bemühungen der Verantwortlichen um einen Kurswechsel bergrüßt, darunter die Reaktivierung der Aartalbahn für den SPNV, die Stärkung der Ländchesbahn von Wiesbaden nach Niedernhausen (Ts), den Test und Kauf von Doppelgelenkbussen (wenn verfügbar), die Einrichtung weiteret Bus-, Rad- oder Umweltspuren, eine komplette Neugestaltung des Busnetzes und Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung.
Der große Wurf ist das aber alles nicht, so der Verein. Bei wachsendem Mobilitätsbedarf ist zu befürchten, dass selbst dieser enorme Aufwand nicht den notwendigen Durchbruch bringt. „Jetzt zeigt sich in voller Dimension, welcher Schaden in den letzten 20 Jahren angerichtet wurde“, kommentiert Alexander Mehring, 1. Vorsitzender von Wiesbaden neu bewegen. „Würden heute schon Straßenbahnen fahren, könnten wesentlich mehr Passagiere umweltfreundlich, bequem, schnell und leise befördert werden – und das mit weniger Personal, an dem es überall fehlt.“ Dank der Förderung durch Bund und Land wäre das sogar vergleichsweise zum Schnäppchenpreis zu haben, wohingegen leistungsfähigere Bussysteme inklusive neuer Infrastruktur ohne diese Zuschüsse die Stadt teuer zu stehen kommen werden.
Aber noch ist die Bahn nicht abgefahren. Nach Ablauf der Dreijahresfrist hat die Citybahn-Abstimmung keine Bindungswirkung mehr. Die Stadt hat wieder freie Hand. „Alle Optionen gehören auf den Tisch, auch das System Straßenbahn“, meint Mehring. Die (Fach-)Politiker dürfen sich nach Ansicht des Vereins nicht hinter einem vermeintlichen Volkswillen verstecken, sondern müssen sich informieren und dann selbst(bewusst) eine Entscheidung treffen und vertreten. Dafür werden sie gewählt. Mehring: „Wir gehen davon aus, dass sich politische Klugheit und Weitsicht am Ende durchsetzen, orientiert an den Erfolgsmodellen anderer Städte.“
Der Verein fordert daher einen „verkehrspolitischer Frieden“ für Wiesbaden über alle demokratischen Parteien in der Stadtpolitik hinweg. Nach dem Vorbild von Kiel sollte zurückgekehrt werden zu einer sachlichen Diskussion, von Populismus und Wahlkampfmache mit dem Thema Verkehrspolitik sei Abstand zu nehmen, und eine letztlich gemeinsame demokratische Entscheidung im Rahmen der Stadtverordneten-Versammlung vereinbart werden.
Der Verein „Wiesbaden neu bewegen“ wird das objektiv beste (ÖPNV-) Ergebnis für Wiesbaden unterstützen. Bis dahin sollte das derzeit (im Rahmen des Nahverkehrsplans) in Arbeit befindliche neue Busnetz zügig umgesetzt werden. Finanzielle Kürzungen für den ÖPNV im Rahmen der Haushaltsverhandlungen wären in dieser verfahrenen Lage definitiv das falsche Signal.
Text: Wiesbaden neu bewegen e. V./red, Bild: Regionalverkehr