Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz (MKUEM) hat am 18. Januar 2024 eine Liste von zwölf Bahnstrecken vorgestellt, auf denen wieder Personenzüge fahren könnten. Alle Verbindungen werden bis Sommer 2024 durch die beiden Zweckverbände SPNV Rheinland-Pfalz Nord und ÖPNV Rheinland-Pfalz Süd einer Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) unterzogen. An deren Ende muss jeweils ein Nutzen-Kosten-Indikator (NKI) von 1 oder mehr stehen, damit sich eine Reaktivierung der Strecke lohnt. Nur bei einem NKI von 1+ kann die Wiederinbetriebnahme auch mit Bundesmitteln nach dem Gemeinde-Verkehrs-Finanzierungs-Gesetz (GVFG) bezuschusst werden. Der Bund übernimmt dabei bis zu 90 % der zuwendungsfähigen Kosten, die übrigen 10 % sowie die Planungskosten sind von den Ländern zu stemmen.
Für eine Reaktivierung nennt das MKUEM die Strecken Diez – Wiesbaden (Aartalbahn), Engers – Siershahn (Brexbachtalbahn), Kaisersesch – Gerolstein (ein Abschnitt der Eifelquerbahn), Langenlonsheim – Simmern – Büchenbeuren/Flughafen Hahn (Hunsrückquerbahn), Linz – Kalenborn (Kasbachtalbahn), Koblenz-Lützel – Bassenheim, Staudernheim – Lauterecken – Altenglan (Glantalbahn), Langmeil – Monsheim (Zellertalbahn), Eiswoog – Enkenbach (Eistalbahn), Landau – Germersheim, Landau – Herxheim sowie Hinterweidenthal – Bundenthal-Rumbach (Wieslauterbahn). Auf allen Verbindungen ist die Infrastruktur noch vorhanden und wird teilweise sogar noch im Güter- und/oder Ausflugsverkehr genutzt, beispielsweise auf der Kasbachtal- und der Wieslauterbahn. Grundsätzlich sind Gleise, Stationen, Brücken und Sicherungstechnik vor einer möglichen Wiederinbetriebnahme aber umfassend zu modernisieren bzw. neu zu errichten.
Um die Prioritäten bei den möglichen Reaktivierungen so objektiv wie möglich zu setzen, hat das MKUEM eine Liste von Kriterien aufgestellt, die den NKI ergänzen. Zusätzlich in die Bewertung einfließen sollen auch Aspekte wie Streckenbedeutung (Stich-, Verbindungs- und/oder Resilienzstrecke), Netzwirkung, die Anzahl erschlossener Einwohner, die Bedeutung im Tourismus sowie Kohlendioxid-Einspareffekte und eine Verlagerung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf die Schiene. Bis Ende des Jahres 2024 soll ein Ranking erstellt werden, aus dem hervorgeht, für welche Linien eine Reaktivierung als erstes infrage kommt. Die finale Entscheidung wird dann vom rheinland-pfälzischen Landtag getroffen.
Vom Fahrgastverband PRO BAHN RLP/Saar wird das Vorgehen des MKUEM scharf kritisiert. Landesvorsitzender Noah Wand sagte: „Die Fördermittel vom Bund zur Reaktivierung von Bahnstrecken sind begrenzt. Während andere Bundesländer einen Förderantrag nach dem anderen einreichen, diskutieren wir in Rheinland-Pfalz noch über die richtige Reihenfolge.“ Im Fördertopf des Bundesverkehrsministeriums sind derzeit eine Milliarde Euro jährlich vorgesehen, ab 2025 sogar zwei Milliarden. Wand weiter: „Wie schnell dieser Topf geleert werden kann, sehen wir bei einigen Großprojekten: Die Stadt Hamburg hat bereits Gelder für den ersten Bauabschnitt einer U-Bahn beantragt. Kosten: 1,3 Milliarden Euro und damit bereits mehr, als vom Bund für das Jahr 2024 vorgesehen.“ Der Fahrgastverband befürchtet, dass Rheinland-Pfalz am Ende leer ausgeht, wenn das MKUEM mit der Antragstellung zu lange wartet, um die Mittel nach eigenen Kriterien gerecht verteilen zu können. Dabei sei bereits im Koalitionsvertrag die Reaktivierung einzelner Strecken wie der Eifelquerbahn festgehalten.
Bereits laufende Vorhaben zum Ausbau, zur Elektrifizierung und zur Wiederinbetriebnahme von Bahnstrecken in Rheinland-Pfalz sind vom Ranking ausgenommen. Wie geplant fortgesetzt werden sollen der Wiederaufbau und die Elektrifizierung der Eifelbahn Trier – Gerolstein – Kall – Köln, der Moselweinbahn Bullay – Traben-Trarbach und der Ahrtalbahn Remagen – Ahrbrück. Auch die Baumaßnahmen auf dem Pfalznetz, auf dem künftig batterie-elektrische Triebzüge des Stadler-Typs FLIRT Akku verkehren sollen, werden umgesetzt. Hierzu gehören der Bau von mehreren Oberleitungsinseln zum Nachladen der Akkuzüge sowie die Elektrifizierung des Abschnitts Pirmasens Nord – Pirmasens Hbf. Das Pfalznetz umfasst unter anderem die Strecken von Kaiserslautern nach Kusel, Lauterecken-Grumbach, Landau (Pfalz) Hbf und Pirmasens Hbf. Auch die Wiederinbetriebnahme der Trierer Weststrecke Trier Ehrang – Igel/Konz Ende 2024 wird wie geplant umgesetzt. Dann soll der 19 km lange Abschnitt von den beiden neuen Regionalbahnen RB 83 (Wittlich – Trier Hafenstraße – Trier Westbahnhof – Igel – Wasserbillig – Luxemburg – Luxemburg Kirchberg-Pfaffenthal – Dommeldange) und RB 84 (Trier Hafenstraße – Trier Westbahnhof – Konz – Saarburg) genutzt werden. 2024/25 starten zudem die Bauarbeiten zur Reaktivierung der 11 km langen Strecke Homburg – Zweibrücken, die voraussichtlich 2028 wieder in Betrieb gehen soll.
Text: Tim Schulz, Bild: Regionalverkehr