Im Hochsommer anno 1884, am 23. August, war die Zahnradbahn Stuttgart – Degerloch nach einer Rekordbauzeit von drei Monaten eröffnet worden. Damals starteten die Züge noch in der ersten Talstation, die heute als Fahrzeugdepot dient. Schon seinerzeit bildete der Tourismus eine wichtige Zielgruppe für die neue Bahnverbindung – nicht weniger als heute. Das sieht auch Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) so. „Wenn es die Zacke nicht gäbe, müsste man sie erfinden“, sagte Nopper am 29. August 2024: „Schöner als von der Zacke aus kann man Stuttgart auf der Schiene gar nicht erleben.“
Für den Betrieb der städtischen Zahnradbahn ist seit über hundert Jahren die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) zuständig. Für den Vorstandssprecher und Technischen Vorstand der SSB, Thomas Moser, ist die Zahnradbahn ein Wahrzeichen der Landeshauptstadt – „sie gehört zu Stuttgart wie der Fernsehturm.“ Die SSB lege auch Wert auf Tradition, „deshalb feiern wir natürlich gerne so ein Jubiläum.“ Daher veranstaltet die SSB am 5. Oktober 2024 von 12–18 Uhr ein kleines Zacke-Fest im Fahrzeugdepot. Neben einer Ausstellung mit Texten und Bildern zur 140-jährigen Chronik der Bergbahn werden in der historischen Wagenhalle Filme gezeigt sowie Führungen angeboten. Für Modellbahnfans und Stuttgart-Liebhaber wird das betriebsfähige Miniaturmodell der Zacke präsentiert. Wegen der begrenzten Zahl der Plätze müssen sich Besucher vorab unter www.ssb-ag.de/140-jahre-zacke anmelden.
Steile Wege, schöne Aussicht
Die Zahnradbahn verbindet den Marienplatz im Stuttgarter Süden mit dem Ortszentrum des Stadtbezirks Degerloch. Auf nur rund 2 km Länge bewältigt sie über 200 m Höhenunterschied mit einer maximalen Steigung von rund 18 %. Auch wenn an beiden Endpunkten direkter Anschluss an das Netz der Stadtbahn der SSB und deren Buslinien besteht, ist die Zahnradbahn auch für den Binnenverkehr zwischen den beiden Stadtbezirken wichtig – und für die Anlieger entlang dem steilen Streckenverlauf.
Abfahrt der Bahn ist alle 15 Minuten, die Fahrt selbst dauert zehn Minuten. Die Bahn fährt täglich von etwa 5 Uhr morgens bis 21 Uhr am Abend, dann verkehrt ein Kleinbus. Mit dem Fahrplanwechsel ab dem 15. Dezember 2024 wird die abendliche Betriebszeit auf Wunsch der kommunalen Gremien probeweise um zwei Stunden verlängert. Auf der Zahnradbahn gilt das reguläre Ticketangebot des Verkehrs- und Tarifverbundes Stuttgart (VVS). Somit kann die Steilstrecke auch mit dem Deutschlandticket genutzt werden. Die einfache Fahrt zum VVS-Tarif kostet 3,30 Euro.
Die Fahrt ist kurz, aber sehr abwechslungsreich. Der Schienenstrang windet sich, teils als „Straßenbahn“, meist entlang der sehr steilen Alten Weinsteige in die Höhe, der ältesten mittelalterlichen Straße im Stuttgarter Süden. Fast intim geht es mitten durch grüne Hausgärten und im Zentimeterabstand an Hoftoren vorbei – doch die Bahn fährt nicht schnell und die Anwohner sind auf den Bahnverkehr eingespielt. Zumal die Zahnradbahn vor über fünf Generationen schon unterwegs war, bevor entlang den Gleisen überhaupt die ersten Häuser gebaut wurden. Die „herrliche Aussicht über den Thalkessel“ lobten schon anno 1884 zur Eröffnung die Gazetten. Bergauf sitzt man am besten links – die schönste Perspektive bietet sich aber wohl bei der Talfahrt, dann auf der rechten Seite.
Von der Privatbahn zum Kommunalbetrieb
Stuttgarts Zahnradbahn wurde im Jahr 1884 auf private Kosten als Vorführmodell erbaut, durch den Unternehmer Emil Kessler, Chef der Lokomotivfabrik in Esslingen, damals ein Global Player im Fahrzeugbau mit Weltruf für Württemberg. Sie war Teil des Netzes der privaten Filderbahngesellschaft, das – ohne Zahnrad – bis Hohenheim, Neuhausen und Stuttgart-Vaihingen reichte. Seit 1920 gehört dieses Gesamtnetz zur kommunalen SSB. Die Zahnradbahn besaß über viele Jahrzehnte enorme Bedeutung für den Arbeiterverkehr nach Stuttgart. Während des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg war sie die am stärksten ausgelastete Linie der SSB mit über 10.000 Fahrgästen pro Tag. Auch heute bildet sie die kürzeste und schnellste Verbindung im ÖPNV zwischen südlicher City und der Filderhöhe. Im Jahr 2022 beschaffte die SSB beim Hersteller Stadler Rail in der Schweiz drei neue Fahrzeugeinheiten, die mit originalem Degerlocher Wein auf die Namen der Wohnquartiere Weinsteige, Degerloch und Haigst getauft wurden.
Stuttgart ist die Stadt der Bergbahnen – alle in der Hand der SSB: Außer der Zahnradbahn gibt es die lautlose und altehrwürdige Standseilbahn zwischen Heslach und Waldfriedhof, die mit 8,5 % geneigte Stadtbahnlinie U 15 im Abschnitt zwischen Olgaeck und Ruhbank sowie die mit Liliput-Dampfloks betriebene Killesberg-Parkeisenbahn, die eine Steigung von über 4 % bewältigt und ein noch stärkeres Gefälle hat.
Weiter geht’s im Straßenbahnmuseum
Am 20. Oktober 2024, zwei Wochen nach dem Termin im Zacke-Depot, veranstaltet der Verein Stuttgarter Historische Straßenbahnen (SHB) im Straßenbahnmuseum Stuttgart spezielle Themenführungen zur Zahnradbahn. Von 10–17 Uhr können die im Depotteil des Museums stehenden, sonst nicht zugänglichen alten drei Fahrzeug-Generationen der Zahnradbahn von 1898, 1950 und 1982 besichtigt werden. Parallel wird ab dem 20. Oktober eine Ausstellung über die Zahnradbahn und eine Bilderschau im Museum zu sehen sein. Außerdem können die ersten Versionen der neuen Präzisions-Fahrzeugmodelle der Zahnradbahn an der Kasse im Foyer des Museums erworben werden. Weitere Informationen über www.shb-ev.info, eine Anmeldung ist nicht nötig.
Text: SSB/red, Bilder: SSB (Slg. Jürgen Ranger)/Regionalverkehr