Wer die grauen Herbsttage bis zur Adventszeit überbrücken möchte, kann einen Zwischenstopp im Deutsche Technikmuseum in Berlin einlegen. Anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Berliner S-Bahn“, das Anfang August 2024 gefeiert wurde, zeigt das Museum unter dem Motto „Besser, schneller, elektrisch!“ erstmals einen der ältesten erhaltenen S-Bahn-Wagen von 1924. Daneben sind weitere Exponate und Schautafeln zur Berliner S-Bahn-Geschichte zu sehen.
Einmalige Fahrzeugschau
Noch bis Ende März 2025 werden im Lokschuppen 2 des Museums drei Fahrzeuge aus der Frühzeit der S-Bahn präsentiert. Im Mittelpunkt steht das Fragment des einzigen originalen S-Bahn-Triebwagens aus der ersten Fahrzeugserie von 1924, der Bauart „Bernau“. Außerdem zu sehen ist ein Wagen der legendären S-Bahn-Bauart „Stadtbahn“ aus dem Jahr 1928. Diese Wagen prägten mit über 1200 Exemplaren den Berliner Stadtverkehr von 1928 bis 1997. Ein ebenfalls ausgestellter preußischer Abteilwagen aus dem Jahr 1906 weist an jeder Sitzgruppe eine eigene Außentür auf und macht den Museumsgästen deutlich, wie der Berliner Nahverkehr vor Einführung der S-Bahn aussah.
Abgerundet wird die Schau durch eine Express-S-Bahn der Baureihe ET 125 („Bankierszug“) sowie zwei modernere S-Bahn-Wagen aus Hamburg und Berlin. Aus Hamburg ist die in den 1930er Jahren entworfene Baureihe 471 ausgestellt, die erstmals in geschweißter Leichtbauweise entstand. Zwischen 1939 und 1958 wurden 73 Züge gefertigt, von denen die letzten Exemplare noch bis in die Nullerjahre verkehrten. Deutlich jünger ist ein aus den 1990er Jahren stammender Triebkopf der Berliner S-Bahn-Baureihe 485, die erst im Herbst 2023 aus dem S-Bahn-Dienst ausschied.
Emissionsfreies Massen-Verkehrsmittel
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war das Berliner Stadtgebiet durch Ring-, Stadtbahn- und Vorortstrecken gut erschlossen. Hier verdoppelte sich der innerstädtische Verkehr allein zwischen 1890 und 1895: von 63 auf 136 Mio. Fahrgäste pro Jahr. Um 1900 war absehbar, dass der schnell weiter zunehmende Verkehr mit Zügen, die von einer Dampflok geführt würden, nicht mehr zu bewältigen war. Dampflokomotiven beschleunigten zu langsam und der von ihnen ausgestoßene Rauch wurde zunehmend als Belästigung empfunden. Zugleich ermöglichte der Fortschritt in der Elektrotechnik die ersten Versuche mit verschiedenen Bauarten elektrischer Züge. Nach dem Ersten Weltkrieg fiel die Entscheidung für den Gleichstrom-Betrieb mit seitlicher Stromschiene. Zunächst wurde dieser neuartige Zugverkehr ab dem 8. August 1924 auf den Nordstrecken vom Stettiner Vorortbahnhof, dem heutigen Nordbahnhof, nach Bernau, Oranienburg und Velten eingerichtet.
Nach den ersten positiven Erfahrungen begann 1926 die damals so genannte Große Elektrisierung: Bis Ende des Jahrzehnts wurden Stadt- und Ringbahn und die meisten Vorortstrecken mit Stromschienen versehen und dafür neue Fahrzeuge beschafft. So technisch richtungsweisend das weltweit beachtete System war, so modern und zukunftsweisend war auch seine Vermarktung: mit der auffälligen Fahrzeuglackierung in Beige und Rot und dem 1930 eingeführten Begriff „S-Bahn“. Im gleichen Jahr entstand das bis heute verwendete grüne „S“-Logo.
Ältester Berliner S-Bahn-Wagen wird restauriert
Das Technikmuseum rekonstruiert derzeit einen Wagen der Bauart Bernau von 1924. Wiederhergestellt wird der am besten erhaltene Beiwagen EB 169 015a (nicht das derzeit im Lokschuppen 2 ausgestellte Fragment), der dann das einzige vollständige Fahrzeug der Bauart Bernau sein wird. Zu den umfangreichen Arbeiten zählt die Wiederherstellung der Inneneinrichtung in der modernisierten Form, die der Wagen 1958 erhalten hatte. Der S-Bahn-Wagen aus der Ur-Baureihe wird später im zweiten Abschnitt der neuen Dauerausstellung Eisenbahn für die Anfänge der Berliner S-Bahn stehen. Ermöglicht wird das Restaurierungsprojekt anlässlich des S-Bahn-Jubiläums durch die Förderung des Landes Berlin.
Text: Deutsches Technikmuseum/red, Bilder: Regionalverkehr